Von Madurai aus ging unsere Indienreise weiter in die Western Ghats – ein Gebirge im Westen Indiens, das am Rande des Dekkan-Plateaus verläuft und dieses von dem schmalen Streifen der Küstenebene und dem Arabischen Meer trennt (welches dann unsere letzte Destination sein würde). Zuerst reihten sich Plantagen aneinander; Bananen, Baumwolle, Gemüse und gar Weinberge. Einen solchen gingen wir kurz anschauen und fotografieren und tranken den überzuckerten Traubensaft. In den etwa 3.5 Stunden Fahrt veränderte sich die Landschaft und wurde zunehmend hügelig. Ich finde es faszinierend, wie viele verschiedene Landschaften und Klimazonen der indische Kontinent bietet. Schließlich ging es hoch nach Thekkady über eine vom letzten Monsun ziemlich mitgenommene Passstraße, durch einen schönen Urwald, an überall am Straßenrand hockenden Affen vorbei.

Spice Village

Und dann kamen wir an im Spice Village, einem richtigen Paradies! Die Bungalows sind luxuriös und liebevoll eingerichtet, und auf der Führung über das Gelände erfuhren wir, dass hier alles Öko ist: sie kennen sogar EM und Wurmkompost, verfügen über eigenen Solarstrom und der Pool läuft ohne jegliche Chemikalien. Und das Essen erst! Das Buffet ist ein Traum, die Küchenchefs sind super nett und haben sich sofort total Mühe gegeben, als ich sagte, ich sei „Pure Vegetarian“ (das wird viel besser verstanden als „Vegan“) und zeigten mir alles, was ohne Milchprodukte ist. Und das Dessert bereiteten sie extra für uns zu, da es am Buffet nichts veganes hatte! So platzen wir nach dem leider sehr späten Dinner fast, es ist einach zu gut alles.

Periyar Wildlife Sanctuary

Das Tierschutzgebiet umfasst 777 Quadratkilometer, wovon die 350 km2 große Kernzone 1982 zum Nationalpark und Tigerreservat erklärt wurde. In diesem Gebiet leben 35 große Säugetierarten, darunter bedrohte Arten wie indische Elefanten und etwa 24 bengalische Tiger. Andere Bewohner sind fliegendes Eichhörnchen, Wildschwein, Sambar, Gaur, Fruitbats, Nilgiri-Marder, Nilgiri-Langur, Faultier, Dschungelkatze und mehr als 266 Vogelarten, außerdem 45 verschiedene Reptilien-Spezies und über 160 verschiedene Schmetterlingsarten!

Der Park ist eingezäunt und es wird streng darauf geachtet, dass ihn keine Unbefunten einfach so betreten. Aber was für ein Prozedere! Wir mussten zuerst am einen Schalter bezahlen, bekamen ein Ticket, und dann mussten wir uns in einem Kabäuschen wieder mal in ein dickes Buch eintragen und natürlich nochmals zahlen. Und wir bekamen wegen den Blutegeln, die es offenbar hat, so „Über-Socken“, die bis zu den Knien reichen und die man über Hosen und Strümpfe anzieht.

Dann durften wir endlich losziehen auf den Pugmark Trail, das ist ein kleiner Trampelpfad durch den Wald. Wir waren schon nach ein paar Schritten mitten in der Natur, sahen Bisons und Sambar-Hirsche, und nach ca. einer Stunde gemütlichem Fußmarsch kamen wir an den Stausee, wo es ein Restaurant und eine Bootsanlegestelle hat und wo wir ein Ticket für die Bootsrundfahrt kauften. Dort hat es auch viele Affen (Makaken), ich konnte sie zum ersten Mal aus der Nähe fotografieren. Doch Lea warnte mich zum Glück bereits, und die Freude an den kleinen Biestern ist mir schnell vergangen; sie sind frech und lästig, einer sprang einem andern Touristen von hinten an den Rucksack!

Das Boot war sehr voll, jeder einzelne der nummerierten Sitze war ausgebucht. Die Fahrt wurde mir auch durch die eklige, sperrige Schwimmweste, die alle anziehen mussten und das Verbot, vom Sitz aufzustehen vermiest – vor Jahren ist hier ein Boot gekentert, weil die Touristen am Ufer eine Elefantenherde entdeckten und alle auf die eine Seite rannten, um sie zu fotografieren, das Boot kippte und alle sind ertrunken.

Ich fotografierte ein paar Wasservögel und einen schönen großen Waran, aber der See ist jetzt keine wahnsinns Augenweide, da es ja ein Stausee ist, er wurde 1895 von den Engländern gebaut und versorgt die Plantagen in Tamil Nadu unten, die wir auf der Hinfahrt durchquert haben, mit Wasser. Der Stausee überflutete tief liegende Wälder, deren tote Baumstämme immer noch aus dem Wasser ragen.

Aber das absoluteste Highlight fand in der Abenddämmerung statt. Ich habe meine ersten Bats live gesehen! <3 Vom Liegestuhl am Pool kann man beobachten, wie dann ganze Schwärme von großen Flying Foxes von ihren Tagesruheplätzen in den nahen Bambuswäldern losfliegen. Am nächsten Abend haben wir sie gezählt und es sind mindestens tausend!

Leeches Hike

Am folgenden Tag wagten wir uns auf den „Border Hike“, eine ganztägige Wanderung im Nationalpark. Die beiden dunkelhäutigen Führer waren tatsächlich ehemalige Wilderer, von denen jetzt viele im Sanctuary als Guides angestellt sind (der eine hatte lange, spitz gefeilte Fingernägel, um die ihn manche Frau beneiden würde). Der dritte war ein hellhäutiger Inder in Khaki-Uniform, mit dem obligaten Schnauz und mit Gewehr (dieses dient übrigens eher dem Schutz vor Bisons als vor den äußerst seltenen Tigern). Dann waren noch vier sehr sympathische Teilnehmer dabei, ein französisches Pärchen und zwei junge Männer, einer aus Bombay und einer aus Mexico. Wir bekamen jeder eine zwar schwere, aber praktische Warmhalte-Lunchbox und Wasser, und auch wieder die Anti-Leeches-Strümpfe verpasst, und dann zogen wir los. Zuerst ging es durch bewohnte Randgebiete mit tollen Gärten, dann auf kleinen Trampelpfaden immer tiefer ins Reservat hinein und ziemlich steil bergauf. Die Natur mit lichten Wäldern, durchzogen von kleinen Bächlein, ist fantastisch, und trotz mit Kamera und Food recht schwer beladenem Rucksack genoss ich es einfach, zu laufen!

Immer wieder gab es was Kleines zum beobachten, Eichhörnchen, Affen, Vögel … Tiger bekamen wir selbstverständlich keine zu Gesicht, doch beim ersten Halt merkte ich, wofür genau die Schutzstrümpfe sind: vom Boden kamen unzählige braune Egel auf unsere Schuhe gekrochen und versuchten, hochzuklettern und sich in jede kleinste Lücke im Gewebe zu zwängen, und das mit einer unglaublichen Geschwindigkeit! Bei der anderen Frau war einer schon über Knie und Schutzstrumpf, und als ich ihn ihr abstreifen wollte, saugte er sich blitzschnell an meinem Finger fest. Ich rief um Hilfe, die Guides retteten mich und streuten uns auch noch so ein Pulver auf die Schuhe, von dem ich gar nicht wissen will, was es ist, und das auch nicht besonders viel nützte. Ich versuchte, mich durch die Egel nicht stressen zu lassen, aber ihre wurmartigen, windenden Bewegungen strapazierten meine Nerven ganz schön. Und auch wenn die Guides lachten und mir versicherten, dass sie nicht durch den dichten Stoff dringen können, war ich danach vor allem darauf fixiert, bei jedem Halt diese ekligen Kreaturen von meinen Schuhen abzustreifen. Wenn ich daran denke, dass ich am Vortag auf dem Pugmark Trail bei einer feuchten Stelle Schuhe und Strümpfe ausgezogen habe und barfuß völlig unbedarft durch den Schlamm gewatet bin, wird mir ganz anders!

Zum Glück erreichten wir bald einen egelfreien Hügelkamm, wo wir eine erste längere Pause machten und die tolle Aussicht in den Regenwald genossen. Mit dem Wetter hatten wir Riesenglück, immer wieder kam die Sonne hinter dem Morgennebel hervor und die Temperatur war sehr angenehm, nicht zu heiß und nicht zu kalt. Danach gings zügig weiter, immer mal wieder rauf und runter, und gegen Mittag erreichten wir den See und folgten noch ein gutes Stück dem Seeufer durch feuchte Wiesen voller riesiger Schmetterlinge. Bei einer Hütte mit Anlegestelle der Bambus-Flöße wurde dann mit Blick auf das Wasser Halt gemacht zum superleckeren Mittagessen aus unserem mitgebrachten Henkelmann – Chapati, Reis und Kichererbsen-Curry. Vom See aus ging es wieder ins Waldesinnere, hier auf einem etwas breiteren, auch mit dem Jeep befahrbaren Weg, der aber auch sehr schön war und den zwar keine Herde Elefanten, aber eine Herde Bisons kreuzte. Wir waren dann auch viel zu schnell wieder beim Startpunkt, schon gegen 15:00 Uhr, also anderthalb Studen früher als geplant. Fast schade! Wir konnten kaum glauben, dass das 25 Kilometer gewesen waren, die wir zurückgelegt hatten, und ich war auch nicht so sehr vom Laufen müde, sondern eher vom viel zu frühen Aufstehen. Gelohnt hat es sich aber auf jeden Fall, es war ein einzigartiger, unvergesslicher Tag!

Mr Abraham’s Spice Garden

Mindestens ebenso fasziniert hat mich die Besichtigung einer Kardamom-Plantage. Dies hatte ich mir vollkommen anders vorgestellt und ich war wieder einmal positiv überrascht: Mr Abraham ist ein lustiger und gebildeter Mann, der uns herzlich begrüßte und der sogar einge Brocken „Schwizerdütsch“ beherrscht. Sein Wissen über die hier wachsenden Pflanzen ist immens und sein Garten ein Paradies. Hier wächst nicht nur Kardamom, sondern die Plantage ist eine Perma-Mischkultur aus sich gegenseitig unterstützenden Pflanzen; Kokospalmen, uralte Jackfruit-Bäume und verschiedenste Bananensorten geben den empfindlichen Kardamompflanzen den Schatten, den sie benötigen, und dazwischen blüht und sprießt es überall: Ayurvedische Heilkräuter, Gewürze, Früchte, Blumen usw. gedeihen hier; darunter zahlreiche Pflanzen, die wir in der Schweiz als Zimmerpflanzen kennen, sowie auch Kaffee und Kakao. Anstelle von Pestiziden werden natürliche Methoden verwendet: wir konnten einige außergewöhnliche Spinnen sehen, die tun, was Spinnen tun sollen – Insekten töten. Auch winzige asiatische Honigbienen leben hier. Die Besucher können sich mit den verschiedenen Vorgängen in der Gewürzzucht und -verarbeitung wie Anpflanzen, Ernten, Trocknen, Zubereiten von Gewürzextrakten usw. vertraut machen und im Shop zu super Preisen viele Gewürze kaufen. Ich freue mich schon, diese zu Hause zu kosten, u.a. auch den rohen Kakao. Wieder hatten wir großes Glück, so einen sympathischen Mann kennenzulernen. Und die Haarbüschel, die ihm aus den Ohren wachsen, sind legendär!