Auf unserer ganzen Indienreise erlebten meine Freundin und Reisepartnerin Lea und ich immer wieder sagenhafte glückliche Fügungen und „Zufälle“ – und einer der schönsten war,  gleich als erste Station nach unserer Ankunft in Indien so herzlich in eine indische Familie aufgenommen zu werden, dass wir uns sofort zuhause fühlten. Und dies ist keine „gewöhnliche“ Familie, sondern eine Familie mit 25 Kindern:

WIDE Children‘s Home.

WIDE Children‘s Home wurde 2003 von Kumari Xavier gegründet. Als Kumari 6 Jahre alt war, starb ihr Vater. Ihre Mutter hatte keine andere Wahl, als sie und ihre Schwester in ein Kinderheim zu schicken, um sicherzustellen, dass sie eine Ausbildung und die nötige Unterstützung erhalten, um ein normales Leben zu führen.

Kumari verbrachte 18 Jahre im Waisenhaus. Die Betreuer versorgten sie mit vielen notwendigen Dingen wie Essen, Kleidung und Schulbildung, aber eine Sache, die sie ihr nicht geben konnten, war Liebe. Und so machte Kumari es sich zur Aufgabe, Kindern ein Zuhause zu geben, das alles bietet, einschließlich LIEBE.

Sie musste nicht lange suchen, um Kinder zu finden, die ein Zuhause brauchten. Sie zog von Mumbai nach Tiruvannamalai und hat hart daran gearbeitet, einen sicheren und liebevollen Ort für diese Kinder zu schaffen. In den letzten 15 Jahren hat sie über 300 Kinder geliebt. Und diese Liebe strahlen ebenso auch ihre Tocher Pryia und ihr Mann Xavier aus. Priya heißt Liebe!

Eine Liebe, die nicht nur die Kinder umfasst, sondern ebenso auch die Tiere: Priya kümmert sich rührend um die Straßenhunde und Hausmops Dora. Ich habe mein Herz an das Hündchen Anjou veloren, die blind und behindert zur Welt kam und von Priya mit der Flasche aufgezogen wurde – sie erinnert mich so sehr an meinen Gandalf. Ja sogar eine Krähe kommt täglich auf einen Besuch und einen Happen Futter vorbei.

Auch Lea und ich wurden von WIDE sofort adoptiert.

Was für ein Geschenk, dass wir von Anfang an in die Familie aufgenommen wurden und mit ihnen essen durften. Priya und Kumari sind auch beide ausgezeichnete Köchinnen, und während der ganzen Woche bei WIDE wurden wir super lecker und authentisch bekocht. Ich aß zum ersten Mal Dosa und Idli, außerdem all die köstlichen typisch tamilischen Gerichte wie Sambar, verschiedene Curries, Khorma, Biryani, Chapatis, Paratha, Rassam, verschiedenste Chutneys – und das alles genau so wie die Indier, nämlich von Hand! Meine Technik ist natürlich nicht so ausgereift; die Inder pflegen in ihrem Teller herumzumantschen und alles mit den Fingern zu kneten und zu vermischen. Ich schaufele das Essen vielmehr einfach irgendwie in den Mund und versuche dabei krampfhaft, die linke Hand nicht zu benutzen. Denn diese ist ja für etwas völlig anderes bestimmt, das auch mit dem Wasserhähnchen zu tun hat, das anstelle von Klopapier neben jedem WC angebracht ist.

Das WIDE CHILDREN’S HOME liegt am Arunachala Mountain, einem der 5 heiligen Shiva-Orte in Südindien.

Am Fuße des Berges befindet sich in der kleinen Stadt Tiruvannamalai ein berühmter Tempel, aber auch der berühmte Ramana Ashram, der von Sri Ramana gegründet wurde, einem weisen Guru und Jnani, der den Großteil seines Lebens in einer nahegelegenen Höhle verbracht hat. Seit ich vor etwa anderthalb Jahren Advaita Yoga und den Online-Satsang von Mooji entdeckte, ist es mein Wunsch, hierher zu kommen.

Der Ashram ist sehr schön und gepflegt, und die Atmosphäre ist so wunderbar und wohlig, dass man gar nicht mehr weggehen möchte. Der Kopf ist ruhig und klar, der Verstand gibt Ruhe, der Körper wird mit Energie aufgeladen. Ich schaffe es normalerweise überhaupt nicht, länger als ein paar Minuten stillzusitzem um zu meditieren, doch dort in der Meditationshalle hätte ich stundenlang sitzen können, so leicht fiel es mir – schade, dass um 12:30 geschlossen wurde.

Organic Farm, Retreat Center und Volounteers House

Xavier ist nicht nur Taxifahrer, sonder er fährt auch Tuk Tuk und natürlich den großen Schulbus. Auch das Tuk Tuk fahren ist jedesmal ein riesen Highlight, aber die Fahrt mit dem Schulbus war die Krönung. Wir unternahmen einen Ausflug mit allen Kindern zu der kleinen Organic Farm, die WIDE außerhalb der Stadt am aufbauen ist.

Die Vision von WIDE ist es, das Zuhause der Kinder dauerhaft und nachhaltig zu unterstützen. Einerseits durch den Anbau von eigenen, biologischen Früchten und Gemüsen im Permakulturgarten – andererseits durch ein stabiles Einkommen dank der Vermietung des wunderschönen kleinen Retreat Centers und Guest House, welches mit Spendengeldern gebaut werden konnte.

Es ist ein ganzes Stück zu fahren, aber da draußen gefällt es mir auch sehr! Die Umgebung erinnert mich an den Esan, den ländlichen Nordosten Thailands: das flache Land mit den Reisfeldern, Kühen und Wasserbüffeln, die einfachen Häuser mit ihren Mauern drum herum und vor allem auch die Pflanzen – Kokospalmen, Bananenbäume, Mangos, Guavas und Jackfruits. Priya und Kumari legen großen Wert darauf, den Kindern das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Umweltschutz mitzugeben.

Das Volounteers House befindet sich noch im Bau – hier sollen später Freiwillige wohnen, die auf der Organic Farm helfen. Es verfügt über eine geniale, offene aber gedeckte Küche auf dem Dach und drei Schlafzimmer im Erdgeschoss; die Wände sind mit natürlichem Lehm verputzt. Leider musste das Projekt vorübergehend gestoppt werden, da kein Geld mehr vorhanden ist – es werden dringend Spenden benötigt! Auch Menschen, die WIDE mit ihrem Wissen oder ihren Fertigkeiten vor Ort unterstützen möchten, sind jederzeit willkommen.

Die Zeit verging wie im Flug, die Jungs pflanzten junge Mango- und Jackfruitbäumchen entlang der Mauer, ich fotografierte, u.a. noch ein Gruppenfoto von allen auf dem Dach mit umwölktem Arunachala im Hintergrund.

Und auch unsere Zeit in der WIDE Family verging viel zu schnell. Der Höhepunkt der Woche war Giri Pradakshina, der 15 km lange Pilgergang um den heiligen Berg und das heilige Feuer und die Puja am Abend, bevor es am nächsten Morgen weiterging nach Madurai. Ich bin sehr glücklich, in Indien eine so wundervolle Familie gefunden zu haben und hoffe sehr, dass ich bald wiederkommen werde …